Dialog im Dunkeln

Die FS61 und FGS62 waren im Rahmen des PP-Unterrichts in Hamburg im Dialoghaus.

Ein Erfahrungsbericht:

Zugegebener Maßen bin ich sehr leichtgläubig an die ganze Sache herangegangen. Es war in meiner Vorstellung eher ein Tag in Hamburg, den man zum Essen gehen und Kaffeetrinken nutzt und nebenbei halt kurz noch für die Schule ein, zwei Stunden etwas mit sich machen lässt. Doch mein Bild von diesem Tag sollte sich noch wandeln.

Als wir ankamen und feststellten, dass wir erstmal eine Stunde warten müssten, also auch eine Stunde mehr „gezwungenen“ Kram machen mussten, war meine Laune ehergedrückt. Die Spiele im Vorraum jedoch ließen meine Neugierde steigen und ich realisierte zum ersten Mal, dass ich in einigen Minuten nicht mehr die Möglichkeit haben werden würde, einfach meine Augen zu öffnen und alles wieder im gewohnten Licht zu sehen. Die Stunde, die am Anfang noch für Ernüchterung gesorgt hatte, wurde eine sehr lustige, die viel schneller umging als erwartet.

Ganz kurz bevor sich unsere Gruppe zu den beiden, scheinbar blinden, Männern begab, kam in mir sogar ein Gefühl von Nervosität auf. Als wir auf die Männer zugingen, wusste ich nicht ganz wie ich mit ihnen umgehen sollte und fragte mich, ob siedie Unsicherheiten der Gruppe irgendwie wahrnahmen. Um mir diese Frage zubeantworten, versuchte ich mich, mehr oder weniger erfolglos, in sie hinein zuversetzen.

Dann ging es auch schon los. Sie fragten uns nach unserem Befinden und es war zu Beginn ein merkwürdiges Gefühl beim Sprechen nicht angeguckt zu werden. Sie erklärten uns was gleich auf uns zukommen würde, wiesen uns an, einen Langstock zu nehmen und schickten uns um die Ecke bis zu einer Tür.

Mein Herz begann nun wirklich etwas schneller zu schlagen, denn meine Orientierung war ohnehin nicht die Beste. Der erste Satz unseres Gruppenleiters „Wer nichts sagt, ist nicht da.“ verwirrte mich zunächst. Als sich jedoch die Tür hinter unsschloss, wusste ich genau was er meinte. Nun umgab mich die völlige Finsternis.

Es überkam mich ein noch nie dagewesenes Gefühl. Eine seltsame Mischung aus Hilflosigkeit, Neugier und Orientierungslosigkeit. Ich hatte das Gefühl in einem riesigen schwarzen Loch zu sein. Als würde mich ein riesiges Nichts umgeben. Ich versuchte mich auf dieses Gefühl einzulassen, zu versuchen, es zu akzeptieren und sogar zu genießen. Das klappte auch ganz gut, bis man ganz kurz nichts hörte oder jemanden vor sich spürte. Dann schlug es in Angst, fast Panik um. Ich konnte mir zum aller ersten Mal so lebendig vorstellen, wie sich blinde Menschen fühlen. Das Wissen, dass diese, für mich so überwältigende (nichtunbedingt im positiven Sinne) Realität sie dauerhaft umgibt, war meine Erkenntnis des Tages. Umso beeindruckter war ich von der Positivität und Heiterkeit unseres Gruppenleiters.

Seit diesemTag kann ich die Welt mit anderen Augen sehen bzw. nicht sehen. Ich frage mich oft in meinen alltäglichen Situationen wie Blinde diese bewältigen würden. Mir fällt dann meist kaum eine Lösung ein, was meine Anerkennung dafür, dass diese Menschen trotzdem rausgehen, arbeiten und einkaufen gehen, noch weiter steigen lässt.

Ich bin sehr dankbar für diese unglaubliche Erfahrung und hoffe, durch mein tieferes Verständnis für die Realität dieser Menschen, bei dem Prozess, sie vollkommenin unsere Gesellschaft einzugliedern, besser helfen kann und besser weiß, wieich mit ihnen in meinem Alltag umgehen kann.


Ein Gedanke zu „Dialog im Dunkeln

  1. Vielen Dank für diese eindruckvolle Beschreibung der Gefühlslagen bei euerm „Dialog im Dunkeln“, die neugierig macht. Beim nächsten Ausflug der PP-Klassen dieser Art würde ich gern mit dabei sein 😉
    J. Petasch

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